Textilien und Licht
Text von Ulrich Büttner
Neustadt an der Weinstrasse, Deutschland
29.04.15
Vom 4. bis zum 7. Mai 2015 öffnet in Frankfurt am Main die Techtextil ihre Tore. Die internationale Leitmesse für technische Textilien und Vliesstoffe zeigt alle relevanten Einsatzgebiete dieser Produkte nicht nur im Rahmen industrieller Fertigungsprozesse. Blickt man auf die möglichen Anwendungen von Geweben und Folien in der Architektur, so ist neben den klassischen Fassaden- und Dachkonstruktionen vor allem ihr Einsatz im Zusammenhang mit Kunst- oder Tageslicht von zunehmendem Interesse.
Ein leichtes Dach, das selbst mit den anzusetzenden Schneelasten keine Probleme hat und dabei auch optisch superleicht wirkt. Gebläse halten die 6 000 m2 Folienkissen unter Druck und in Form; Foto: CENO Membrane Technology
Ein leichtes Dach, das selbst mit den anzusetzenden Schneelasten keine Probleme hat und dabei auch optisch superleicht wirkt. Gebläse halten die 6 000 m2 Folienkissen unter Druck und in Form; Foto: CENO Membrane Technology
×Als Alternative zu Glas haben sich ETFE-Folien besonders im Aussenbereich erfolgreich etabliert, während in Innenräumen Gewebe aus einer Vielzahl von Materialien dabei helfen, bestimmte Lichtstimmungen zu erzeugen. Schon wenige Referenzprojekte belegen das weite Einsatzspektrum der Produkte, deren jeweilige Wirkungsweisen von den Architekten sorgfältig ins Kalkül gezogen und in intensiver Zusammenarbeit mit Herstellern oder Weiterverarbeitern individuell realisiert werden. Textile Lösungen machen mittlerweile nicht nur bei den ganz grossen Projekten Sinn.
Tageslicht für den Salzburger Hauptbahnhof. Die Konstruktion war in der projektierten Form und Wirtschaftlichkeit nur mit transparenten Folien zu realisieren; Foto: CENO Membrane Technology
Tageslicht für den Salzburger Hauptbahnhof. Die Konstruktion war in der projektierten Form und Wirtschaftlichkeit nur mit transparenten Folien zu realisieren; Foto: CENO Membrane Technology
×Tageslicht ist nicht zwangsläufig an die Verwendung von Glas gekoppelt
Ein sehr anschauliches Beispiel für den auch in gestalterischer Hinsicht erfolgreichen Einsatz von ETFE-Folien in Form luftgestützter Kissen ist die Bahnsteigüberdachung des Salzburger Bahnhofs. Der von Kada Wittfeld Architekten, Aachen, erbrachte Entwurf zieht seine formalen Qualitäten ganz wesentlich aus der transparenten Dachkonstruktion. Die Umsetzung des anspruchsvollen Konzeptes lag in den Händen der Sattler-Tochter Ceno Tec GmbH aus Greven in Deutschland zu deren Leistungsumfang nicht nur Werkplanung, Herstellung und Montage der Folienkissen gehörten, sondern auch die Rohrbögen des Stahltragwerkes samt ihrer Auflager und alle erforderlichen Aluminiumprofile.
Eine besondere Herausforderung war die Gebläseanlage, denn es geht in Salzburg um eine Fläche von rund 6 000 m2 in zwei Bauabschnitten, die für eine hohe Schneelast ausgelegt ist. Selbstredend fand die Montage bei laufendem Bahnbetrieb statt, und es ging dabei um das millimetergenaue Einpassen von Stahlbögen in sehr kurzer Distanz zu stromführenden Leitungen. Insgesamt 161 dreilagige Pneu-Elemente verschiedener Abmessungen (2,6 bis 3,0 m Breite mal 13,0 bis 24,0 m Länge) wurden in fünf Dachbändern mit wechselnden Bogenstichhöhen parallel zu den Bahnsteigen montiert. Das Ergebnis ist eine taghelle Überdachung deren optische Leichtigkeit sich direkt ableitet aus ihrem tatsächlichen Gewicht von unter 500 g pro Quadratmeter Fluorpolymer-Folie.
Im Wellnessbereich des Sport- und Freizeitbades H20 in Herford kam die Lichtdecke AmbiLoom® von Ettlin zum Einsatz. Ungewöhnliche 3D-Effekte faszinieren den Betrachter
Im Wellnessbereich des Sport- und Freizeitbades H20 in Herford kam die Lichtdecke AmbiLoom® von Ettlin zum Einsatz. Ungewöhnliche 3D-Effekte faszinieren den Betrachter
×Dreidimensionale Tiefeneffekte dank eines Spezialgewebes
Feuchträume sind unter bautechnischen Gesichtspunkten immer etwas speziell. Sollen sie jedoch, wie im H2O Sport- und Freizeitbad Herford mit einer Lichtinstallation an Decke und Wand ausgerüstet werden, braucht es dazu schon eine besondere Lösung. Die Ettlin Spinnerei und Weberei Produktions GmbH & Co. KG aus Ettlingen in Deutschland hat als Hersteller von technischen Textilien eine Lichtdecke aus Glas zur Serienreife gebracht, die zusammen mit LED-Licht beeindruckende farbige 3-D-Tiefeneffekte erzeugt. Verantwortlich für diese Effekte ist das ETTLIN lux® Smart Glas. Es handelt sich hierbei um ein Verbundglas (Sicherheitsglas), das ein lichttechnisches Spezialgewebe einbettet und interagiert mit rückwärtig angeordneten LEDs.
Sobald die Glasfläche durchleuchtet wird, entstehen für den Betrachter Lichtstrukturen, die sich bis weit hinter die Installation fortsetzen. Das Glas selbst zeigt eine edle Oberfläche mit allen bekannten Vorzügen des Materials in feuchter Umgebung. Die AmbiLoom® Lichtdecke eignet sich daher nicht nur für grosse Flächen, sondern auch für einzelne kleinere Objekte. Moderne LED-Technik variiert dabei Intensität, Farbe und Stimmung des Lichtes. „Kundenwunsch war ein Lichtkonzept, das sich deutlich von konventionellen Beleuchtungslösungen abhebt, um den individuellen Charakter des Wellnessbereiches zu unterstreichen“, erklärt Dr.-Ing. Oliver Maetschke, Vorstand der Ettlin AG und fährt fort: „Der räumliche Effekt von AmbiLoom® ist faszinierend und variiert je nach Abstand und Betrachtungswinkel. Das generiert stets neue visuelle Erlebnisse“.
Hochglänzend, wurde das Aluminiumgeflecht „Atlantic Glow“ von GKD speziell für die Lichtlenkung und –reflexion von Tages- und Kunstlicht in Innenräumen entwickelt; Foto: GKD
Hochglänzend, wurde das Aluminiumgeflecht „Atlantic Glow“ von GKD speziell für die Lichtlenkung und –reflexion von Tages- und Kunstlicht in Innenräumen entwickelt; Foto: GKD
×Neben Aluminium-Natur werden verschiedene farbige Eloxierungen angeboten, mit denen es möglich ist, die Farbtemperatur (Lichtstimmung) zu beeinflussen; Foto: gkd, GKD / ALANOD GmbH & Co. KG
Neben Aluminium-Natur werden verschiedene farbige Eloxierungen angeboten, mit denen es möglich ist, die Farbtemperatur (Lichtstimmung) zu beeinflussen; Foto: gkd, GKD / ALANOD GmbH & Co. KG
×Gerichtete Lichtlenkung mit Aluminiumgewebe
Mit der Reflexionsdecke Atlantic Glow ermöglicht die technische Weberei GKD – Gebr. Kufferath AG aus Düren Architekten und Innenarchitekten das gerichtete Weiterleiten und Umlenken von Tages- und Kunstlicht und unterstützt damit eine energieeffiziente Raumausleuchtung. Das hochglänzende Gewebe aus Aluminium ermöglicht im Gegensatz zu einer diffus streuenden weissen Decke eine gerichtete Reflexion in Bereiche des Raumes ausserhalb der eigentlichen Arbeitszonen, in denen es zwar weniger hell, aber zugleich der Helligkeitsunterschied nicht zu stark sein soll. Neben der elegant-technischen Anmutung bringt das Gewebe zusätzlich eine gewisse Exklusivität in den Raum. Der Reflexionsgrad liegt bei 95 Prozent, was sich im Zusammenspiel mit dem Tageslicht direkt positiv auf die Stromrechnung auswirken kann. In diesem Zusammenhang ist auch die Pflegeleichtigkeit beziehungsweise die Schmutzunempfindlichkeit der Oberfläche zu sehen.
Wer übrigens Angst hat vor so viel Aluminiumsilber an der Decke oder einfach eine andere Farbtemperatur bevorzugt, der kann Atlantic Glow auch eloxiert bekommen. Zum Beispiel in sogenannten Champagnertönen, die eine vergleichsweise wohnlich-warme Lichtfarbe reflektieren, ohne den Gesamtreflexionsgrad zu mindern. Soll zugleich eine akustische Optimierung des Raumes erreicht werden, ist das Gewebe auch als Composite mit Wabenträgerplatte und Akustikvlies lieferbar. In jedem Fall handelt es sich um eine anspruchsvolle Lösung.
Die raumgebende Skulptur aus Gerüststäben und dem Gewebe Valmex® TF 400 der Mehler-Texnologies GmbH war 2014 ein Publikumsmagnet auf dem Lichtkunstfestival GLOW im niederländischen Eindhoven
Die raumgebende Skulptur aus Gerüststäben und dem Gewebe Valmex® TF 400 der Mehler-Texnologies GmbH war 2014 ein Publikumsmagnet auf dem Lichtkunstfestival GLOW im niederländischen Eindhoven
×Rund 1 400 m2 des Gewebes wurden in Bahnen von Industriekletterern zweilagig installiert mit der Struktur verflochten
Rund 1 400 m2 des Gewebes wurden in Bahnen von Industriekletterern zweilagig installiert mit der Struktur verflochten
×Licht und Gewebe schaffen einen Raum auf Zeit
„City in Motion“ war das Motte des letztjährigen und 9. Lichtkunstfestivals GLOW im niederländischen Eindhoven. Eine flüchtige, eine temporäre Angelegenheit, die gleichwohl oder gerade deshalb mehr als eine halbe Million Besucher in ihren Bann zog. Der viel beachtete Beitrag von Ali Heshmati & Lars Meess-Ohlson, die interaktive Installation „Teatro Del Mondo“ war ein fast archetypischer Raum aus Gerüststäben und 1400 m2 textiler Fläche aus Valmex® TF 400.
In die rund 27 x 12,5 x 10 m grosse Struktur wurde ein Stoffkubus mit den Abmessungen 23 x 8 x 8 m eingewoben, wobei die senk- und waagrechten Bahnen des offenmaschigen Gewebes zugleich die Struktur verbargen und der Innenraum damit vollständig clean erschien. Das Gewebe der Mehler-Texnologies GmbH aus Hückelhoven ist semitransparent und wurde in Eindhoven zweilagig mit etwa zehn Zentimetern Abstand installiert. Zwei wichtige Details in dieser Anwendung, denn so konnte der Betrachter die Vorgänge im Innern des Kubus von aussen nur erahnen und zugleich fungierten die textilen Raumgrenzen als Projektionsflächen. Auf der oberen Aussenkontur installierte LED-Wallwasher modellierten den Kubus als Objekt im Stadtraum während im Inneren von oben in den Raum strahlende LED-Strahler im Einklang mit dem jeweiligen Soundkonzept die textile Begrenzung als konkretes Volumen erlebbar machte. Gewebe und Licht wirkten in Eindhoven in perfekter Weise zusammen.
Einfacher geht es nicht. Vorzugsweise in der Kombination mit LEDs bieten perfekt gespannte Decken etwa aus dem Gewebe Descor® eine ideal diffuse und gleichmäßig strahlende Raumbeleuchtung
Einfacher geht es nicht. Vorzugsweise in der Kombination mit LEDs bieten perfekt gespannte Decken etwa aus dem Gewebe Descor® eine ideal diffuse und gleichmäßig strahlende Raumbeleuchtung
×Textile Gewebe erobern den gestalteten Innenraum. Tendenz steigend.
Die Firma Pongs GmbH & Co. KG aus Stadtlohn, Deutschland, hat sich von einer Baumwollweberei zu einem der modernsten und leistungsstärksten Textilbetriebe der Welt entwickelt. Es stehen aktuell rund 12 000 Produktvarianten im Angebot mit Breiten von bis zu 650 Zentimetern. Pongs-Textilien werden weltweit vor allem im Hinblick auf ihre optische Wirkung eingesetzt, wobei der Hersteller stets bescheiden im Hintergrund bleibt. Es gibt spektakuläre Anwendungen im Zusammenhang mit modernstem Digitaldruck für Werbeflächen im weitesten Sinne und für Innenraumgestaltungen der besonderen Art, bei denen Architekten und Interiordesigner auf die bestechenden Kombinationen aus spannglatten Flächen und räumlichen Wirkungen zählen.
Dass die Theater und Opernhäuser der Welt zur Stammkundschaft zählen, wundert niemanden. Geht es um riesige oder wenigstens um sehr grosse Flächen, um ihre leichte Handhabung etc., so sind textile Lösungen eine erste Wahl. Auch international angesehene Architekten greifen zunehmend auf textile Flächengestaltung für grosse, repräsentative Räume zurück. Selbst bei regulären Renovationen sind textile Systeme mit relativ einfachen Montage- und Spannsystemen traditionellen Ausbautechniken überlegen. Wenig Rohbauatmosphäre, wenig Lärm und Schmutz und ein vergleichsweise geringer Zeitaufwand für die Erneuerung von Wand und Decke sprechen für den Einsatz von geeigneten Geweben. Die kluge Hinterleuchtung von Spanndecken ist nur ein Aspekt – wenn auch ein wichtiger, denn mit einer Descor® Decke lässt sich zum Beispiel leicht eine gleichmässig und blendfrei strahlende Deckenfläche realisieren, die sich zusätzlich noch dekorativ bedrucken lässt.