Zumtobel und Fraunhofer-Studie
Brand story von Ulrich Büttner
Dornbirn, Österreich
22.10.14
Mit einer globalen Nutzerstudie zu wahrgenommener Lichtqualität im Büro, die der österreichische Leuchtenhersteller Zumtobel gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut für Arbeitswissenschaft und Organisation (IAO), Stuttgart, durchführt, leistet das Unternehmen einen wichtigen Beitrag zur Grundlagenforschung.
Bei der Planung und Realisierung der Beleuchtung im Büroumfeld werden die Nutzerpräferenzen bislang kaum berücksichtigt. Da stehen vor allem Normen und Grenzwerte zu Beleuchtungsstärke, Leuchtdichte, Farbtemperatur und einige ergonomische Kriterien im Fokus. Seit Ende 2013 werden Büromitarbeiter weltweit direkt online befragt. Eine Zwischenauswertung (der Daten für Europa) der noch bis Ende 2014 laufenden Studie liegt nun vor.
Flächig und zugleich punktgenau strahlen die Leuchten in den Raum. Die indirekte Beleuchtung der Rückwand setzt Akzente (rechts). Ähnliche Lichtwirkung, jedoch mit höherer Grundbeleuchtung und ohne Hervorhebung der Wände (rechts)
Flächig und zugleich punktgenau strahlen die Leuchten in den Raum. Die indirekte Beleuchtung der Rückwand setzt Akzente (rechts). Ähnliche Lichtwirkung, jedoch mit höherer Grundbeleuchtung und ohne Hervorhebung der Wände (rechts)
×Ein Drittel der Befragten bemängeln die falsche Ausrichtung ihres Tisches
Architekten und Lichtplaner, aber auch Facility Manager erhalten mit diesen Ergebnissen von bislang rund 2150 Teilnehmern eine gesicherte Datengrundlage, um die tatsächlich wahrgenommene Lichtqualität jenseits der gültigen Normen zu erhöhen, denn genau dieses „jenseits der Norm“ macht den Unterschied zwischen richtig und bedürfnisorientiert und wirkt sich nicht zuletzt auch als relevanter Wertschöpfungsfaktor aus. Seit Jahren steht der Mensch zwar im Mittelpunkt diverser Bürokonzepte, bei denen selbstverständlich auch der Beleuchtung des Arbeitsraumes grosse Bedeutung zukommt, aber dennoch gibt es ein deutliches Gefälle zwischen Ist-Zustand und Nutzerpräferenz.
Zumtobel will diese individuellen Nutzervorlieben, tätigkeitsbezogenen Anforderungen und das subjektive Wohlbefinden der Büroarbeiter zukünftig verstärkt berücksichtigen; will erfahren, was für wen wann am besten geeignet ist und die eigene Produktentwicklung konsequent darauf abstimmen. Sogenannte nutzerorientierte Prozesse zeigen sich bereits in Entwicklungen wie LIGHT FIELDS oder SEQUENCE. Es geht bei allem um nichts Geringeres als um die Zukunft innovativer Lichtlösungen für das Büro in all seinen Organisationsformen.
Es ist nicht so, dass in der Vergangenheit leichtfertig oder „falsch“ geplant wurde, aber die Nutzer bleiben in der Regel anonym, wenn ihre Arbeitsumgebungen realisiert werden. Auch schleichen sich im Laufe der Nutzung Fehler ein, die irgendwann als gegeben gelten, obwohl sie nichts mit der ursprünglichen Planungsabsicht zu tun haben. Man mag es kaum glauben, aber fast ein Drittel der Befragten bemängeln unter anderem die falsche Ausrichtung ihres Tisches zum Fenster. Dieser Mangel liesse sich vergleichsweise schnell und einfach beheben, nur eine umfassende Verbesserung der konkreten Lichtqualität ist damit selten zu erreichen. Qualität ist komplex; im Zusammenhang mit Licht erst recht. Es geht also im Rahmen der Qualitätsbewertung um einen Strauss von Kriterien und um diverse Qualitätsmerkmale, die für das individuelle Wohlbefinden von Bedeutung sind.
Allein die Farbtemperatur macht hier den Unterschied, und variiert den Charakter des Raumes enorm
Allein die Farbtemperatur macht hier den Unterschied, und variiert den Charakter des Raumes enorm
× Im Fragenkomplex zur Lichtquelle schneidet die LED insgesamt am besten ab
Ein zentrales Kriterium ist die Beleuchtungssituation mit direkt und/oder indirekt strahlendem Licht. Über 80 Prozent der Befragten wünschen sich eine kombinierte Lichtlösung, doch nur knapp 40 Prozent finden sie an ihrem Arbeitsplatz vor. Von diesen 40 Prozent der Teilnehmer wird auch das eigene Wohlbefinden deutlich höher bewertet als von denjenigen, die etwa ausschliesslich unter direkt strahlendem Licht arbeiten. Am zufriedensten äussern sich Teilnehmer mit einer Stehleuchte am Arbeitsplatz. Diese Mitarbeiter sind aber mit nur 15 Prozent eine Minderheit.
Die Bewertung von Lichtqualität und Wohlbefinden hängt ausserdem stark von der Möglichkeit ab, das Bürolicht individuellen Vorlieben oder Bedürfnissen entsprechend anpassen zu können. Gibt es keinen direkten Zugriff, fühlen sich immerhin 56 Prozent der Befragten nicht wohl und beurteilen die Lichtqualität folgerichtig als nicht optimal.
Im Fragenkomplex zur Lichtquelle schneidet die LED insgesamt am besten ab. Das ist insofern interessant, als bislang nur etwa 10 Prozent der Büros mit LED-Licht ausgestattet sind. Offenbar können die mit 80 Prozent am weitesten verbreiteten stabförmigen Leuchtstofflampen nicht überzeugen und die Qualität von LED-Licht spricht sich herum. Eine Überraschung liegt ebenfalls in der Präferenz der Beleuchtungsstärke. Sehen die einschlägigen Normen für Bildschirmarbeitsplätze 500 Lux auf Tischhöhe vor, was auch von 40 Prozent der Studienteilnehmer als angenehm erachtet wird, wünschen sich 60 Prozent 800 Lux und mehr. Dieser Lichthunger ist in der Altersgruppe bis 35 Jahre am deutlichsten ausgeprägt; dort sind es fast 70 Prozent.
In diesem Vergleich sind vor allem die direkt und indirekt strahlenden Lichtanteile sowie die Positionen der Leuchten für die jeweilige Stimmung verantwortlich
In diesem Vergleich sind vor allem die direkt und indirekt strahlenden Lichtanteile sowie die Positionen der Leuchten für die jeweilige Stimmung verantwortlich
× Mit zunehmender Bürogrösse wächst die Vorliebe für kaltes Licht
In der Bevorzugung einer bestimmten Farbtemperatur zeigt sich ein weniger eindeutiges Bild. Zwar fühlt sich der grösste Teil der Nutzer bei 4 000 – 5 000 Kelvin am wohlsten, aber die Verteilung beginnt bereits bei 3 000 und endet erst bei 7 000 Kelvin. Für eine allgemeine Büronutzung scheinen diese „Ausreisser“ jedoch nicht relevant. Es stellte sich zudem heraus, dass mit zunehmender Bürogrösse (Einzelbüro bis offener Großraum) die Vorliebe für kaltes Licht offenbar wächst, aber warmtoniges Licht grundsätzlich als angenehmer empfunden wird. Diesen Bedürfnissen werden ebenfalls LED-Leuchten bestens gerecht, deren Farbtemperatur stufenlos eingestellt werden können.
Weitere Fakten beschreiben die Gesamtsituation: Es verbringen mehr als zwei Drittel der Studienteilnehmer 16 bis 20 Tage pro Monat im Büro, annähernd 20 Prozent 11 bis 15 Tage. 60 Prozent aller Büroarbeit findet am Bildschirm statt. Freistehende Einzeltische, Zweier- und Vierer-Blocks machen fast drei Viertel aller Arbeitsplätze aus, aber am wohlsten fühlt sich der Mensch im Einzelbüro in Fensternähe. Gleichzeitig ergeben sich die grössten Herausforderungen für eine verantwortliche Beleuchtungsplanung in Open-Space-Umgebungen. Die überwiegend anzutreffenden Beleuchtungssituationen sind dort allerdings geprägt von ausschliesslich direkt oder indirekt strahlenden Raster- oder Pendelleuchten mit stabförmigen Leuchtstofflampen. All das hat also streng genommen wenig mit dem zu tun, was sich die Teilnehmer der Studie wünschen. Und sie wünschen sich das nicht nur für die dunkle Jahreszeit, denn ein Drittel der Teilnehmer arbeitet auch im Sommer unter Kunstlicht, weil es an ihren Arbeitsplätzen zu wenig Tageslicht gibt.
Der Bedarf an gutem Kunstlicht ist so gross wie die Notwendigkeit seiner optimalen Abstimmung auf das Tageslicht – allein im Hinblick auf das Energiesparpotenzial beispielsweise einer tageslichtgesteuerten Lichtlösung mit LED-Technik. Vereinfacht kann man sagen: Eine durchweg gute Beurteilung der Beleuchtungsqualität plus ein positives Wohlbefinden wird begünstigt von einer individuell beeinflussbaren, direkt/indirekt strahlende Stehleuchte mit LED-Bestückung, die zwischen 4 000 und 5 000 Kelvin eine Beleuchtungsstärke von 500 bis über 800 Lux bietet. Denn zukünftige Lichtlösungen fürs Büro müssen sich einfach und zuverlässig an alle möglichen Tätigkeiten bzw. deren Sehanforderungen anpassen lassen.
Auch in grösseren Räumen mit ausgewogenem Direkt- und Indirektanteil dominiert die Farbtemperatur die Grundstimmung – von frostig bis gemütlich
Auch in grösseren Räumen mit ausgewogenem Direkt- und Indirektanteil dominiert die Farbtemperatur die Grundstimmung – von frostig bis gemütlich
×Was bedeutet das für Architekten und Lichtplaner?
Zum einen gibt es im Gebäudebestand ein enormes Verbesserungspotenzial im Hinblick auf den Wohlfühlfaktor, der sich mit Ergänzungen und Nachrüstungen der lichttechnischen Anlagen positiv beeinflussen liesse, und zum anderen muss bei Neuplanungen der so gern zitierte „Mensch“ tatsächlich und von vornherein eine deutlich wichtigere Rolle spielen. Moderne Lichtplanung stützt sich auf ein opulentes Regel- und Normenwerk, und dennoch ergibt die global angelegte Langzeitstudie von Zumtobel das Bild von zu grossen Teilen am Nutzer vorbei realisierten Büro-Lichtlösungen.
Selbstverständlich sind Normen wichtig und hilfreich, aber sie sind nicht der Weisheit letzter Schluss. Das Wohlbefinden von Mitarbeitern ist schliesslich keine Attitude, es wirkt sich vielmehr direkt auf die Leistungsfähigkeit aus, ist somit ein Wirtschaftlichkeitsfaktor. Das Arbeits- und Raumlicht ist dafür nicht allein verantwortlich. Raumbegrenzungsflächen, Möbelausstattung, Luft- und Klimaqualität sind ebenso wichtig, aber dennoch herrscht über allem das Licht. Und in dieser Rolle wirkt eine als „falsch“ empfundene Beleuchtung ganzheitlich negativ; der Nutzer kann sich an diesem Mangel nicht vorbei konzentrieren, wie er das vielleicht bei einer „Nadel im Sitzpolster“ oder einer kurzzeitigen Lärmbelastung schaffen könnte.
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