Photographer: Peter Grundmann
Photographer: Peter Grundmann
Photographer: Peter Grundmann
Neubrandenburg ist eine dieser Mittelstädte, die ihre Identität lieber aus den Bildern der Vergangenheit schöpfen. Städtebauliche Maßnahmen haben meist Ordnung, Sauberkeit und Sicherheit zum Ziel. Die Innenstadt erhielt eine Gestaltungssatzung. Ein modernes Museum gibt es nicht. Das städtische Theater wurde vor vielen Jahren mit dem Hinweis auf mangelnde Akzeptanz in der Bevölkerung geschlossen. Visionen werden als Ruhestörung empfunden, erst recht, wenn sie von außen kommen. Die Orientierung an gewohnte Bilder erscheint als der sichere Weg. Die älteren Menschen, zahlenmäßig mittlerweile die größte Bevölkerungsschicht, schätzen diesen Kurs. Und so müssen sich Zugereiste und junge Menschen in der Stadt wie Gäste in einem fremden Wohnzimmer fühlen. Der überwiegende Teil der jungen Leute sieht die Zukunft auch woanders und verlässt die Stadt. Lebten 1989 noch 90.000 Einwohner, so sind es jetzt 67.000. Jährlich sinkt die Einwohnerzahl immer noch um ca. 2.000.
Iim Spätsommer 2005 fragte ich die zukünftige Bauherrin, die seit einiger Zeit nach einer neuen Wohnung gesucht und nichts Bezahlbares gefunden hatte, warum sie kein eigenes Haus baut. Schließlich werden die Raten für den Kredit nicht teurer sein als ihre damalige Miete. Einen Tag danach ging ich durch die Innenstadt, auf der Suche nach Resträumen, nach Restgrundstücken, für die eine Bebauung unmöglich erschien. Ich fand 16 und es reifte der Gedanke, dass alle diese Restgrundstücke bebaut werden müssten. Ein Netz aus kleinen fremden und sich in visuellen Kontakt befindenden Punkten würde sich auf die gewohnte Stadt legen und mit dieser in Dialog treten. Zwei Arten von Stadt würden dann nebeneinander existieren und das homogene Stadtbild ins Wanken bringen.
Für eine 7 m breite und zwischen WBS-70 Blöcken liegende Baulücke, die eine Straße für die Feuerwehr und gleichzeitig Zugang zum Innenhof ist, wurde eine Bauvoranfrage gestellt.
Das Bauamt und die städtische Wohnungsgesellschaft als Eigentümer des Grundstücks konnten von dem Konzept überzeugt werden. Schon während der Bauarbeiten und erst recht nach Fertigstellung im Januar 2008 ergaben sich kontroverse Reaktionen der Bewohner. Verallgemeinert gesprochen zeigten sich die Jüngeren erfreut und die Ältern verärgert, aber interessant war, dass das kleine Haus Diskussionen über Architektur animierte, die auf der Straße und in der lokalen Presse bis heute geführt werden.
Das Programm des Hauses für eine Frau und ihren Sohn verdichtet sich vertikal auf 3 Ebenen. Das Haus besteht aus einem um 4 m angehobenen Betonkörper - Länge 11 m, Breite die maximal möglichen 4,8 m, Höhe 6 m - der die beiden Wohnebenen beinhaltet und einem darunter liegenden Bereich, aus dem die größtmögliche Fläche von 2,9 m Länge und 6,7 m herausgeteilt ist.
Diese Fläche ist mit Drahtgewebe eingefasst und erzeugt einen luftigen Raum, der den Übergang zum Innen vorbereitet und den dahinter liegenden Treppenraum aus Kunststoffplatten vor Beschädigungen schützt. Der vom Betonkörper überdachte Bereich ist sowohl öffentlich frequentiert, hinter dem Drahtgewebe jedoch nicht zugänglich, aber immer noch visuell erfahrbar. Die Leere wird hier nicht verdrängt, sondern durch Raum ersetzt, der der Stadt erhalten bleibt. Mit Öffnen der zweiten Tür betritt ist man im Treppenraum, schon eher ein Innen, zwar schalldurchlässig aber klimatisch geschützt. Ein- und Ausblicke ergeben sich hier noch schemenhaft durch die transluzente Haut der Kunststoffverkleidung.
In der Ebene 2 darüber befindet sich der Wohn- und Essbereich. Die vor- und zurückspringende Glasfassade zur Straße erzeugt ein ambivalentes Verhältnis zur Stadt, da sie einen Außenraum, die Terrasse, nach innen und einen Innenraum, die Küche, nach außen treten lässt. Am äußersten Ende der Küche, hinter gelbem Glas, tritt man aus dem Betonkörper heraus. Weit über dem Bürgersteig ergibt sich ein rundum Blick in die Fluchten der Straße. Die bewegte und abschnittsweise farbige Verglasung verfremdet den Blick auf die scheinbar gewohnte Umgebung.
Die Ebene 3 ist der intime Raum der Bauherrin und ihrem Sohn. Er lässt sich durch zwei rote jeweils vier Lagen starke schalldichte Vorhänge in zwei getrennte Schlafräume verwandeln. Die Badewanne, mittig dazwischen, ist an ihren Enden von beiden Schlafbereichen betretbar. Stauraum und alle technischen Einrichtungen, wie Heizungs-, Sanitär- und Elektroinstallationen, die WC´s, der Waschtisch, die Küchenzeile befinden sich in einem zweigeschossigen Schrank an der Nordwand, so dass der Raum frei bleiben kann.
Berlin, 30.07.2008
Peter Grundmann
Petra Neumann
Architekt: Peter Grundmann
Photographer: Ida Thonsgaard
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Photographer: Peter Grundmann
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Photographer: Ida Thonsgaard
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Photographer: Peter Grundmann
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