„Biotechnosphere“: Dornbracht Conversations 5 in Paris
Text by Dornbracht
Iserlohn, Germany
25.04.16
Am 21. Januar lud Dornbracht im Rahmen der fünften Ausgabe der Talkreihe Dornbracht Conversations zum Thema „Biotechnosphere“ ins Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris ein.
"Dornbracht Conversations" zum Thema "Biotechnosphere — about the way in which biology and technology, nature and culture, are increasingly intertwined in a smartified world“ im Musée d'Art Moderne in Paris
"Dornbracht Conversations" zum Thema "Biotechnosphere — about the way in which biology and technology, nature and culture, are increasingly intertwined in a smartified world“ im Musée d'Art Moderne in Paris
×Der Talk fand inmitten der Ausstellung „CO-WORKERS – Network as Artist“ statt. Diese zeigte Arbeiten, Videos, Installationen, Skulpturen, Malerei sowie virtuelle Räume von rund 35 internationalen Künstlern und Gruppen, die während der 2000er Jahre ausgebildet wurden. Lykkeberg stellte eingangs die Konzeption der Ausstellung vor, die er als Gast-Kurator betreute, die Szenografie stammte von DIS. Bereits gespannt sind die Erwartungen im Vorfeld der im Juni beginnenden Berlin Biennale 2016, die das New Yorker Künstlerkollektiv kuratiert. Den räumlichen und thematischen Mittelpunkt der Dornbracht Conversations bildete die Installation „The Island (KEN)“, eine hybrides Objekt, das üblicherweise getrennte Elemente aus Küche und Bad zusammenführt und zu einer Unit verschmelzen lässt. Die erstmals in Europa gezeigte Installation war zuvor im New Museum in New York präsentiert worden. Präzision und High-End-Finishing stehen im Kontrast zur Auflösung herkömmlicher Funktionalitäten. DIS schuf das Objekt in Zusammenarbeit mit Dornbracht und Mike Meiré als Co-Designer.
DC5 Diskutanten (von links nach rechts): Toke Lykkeberg (Moderator), Solomon Chase (DIS), Lauren Boyle (DIS), Mike Meiré (Creative Director), Andreas Dornbracht (geschäftsführender Gesellschafter von Dornbracht)
DC5 Diskutanten (von links nach rechts): Toke Lykkeberg (Moderator), Solomon Chase (DIS), Lauren Boyle (DIS), Mike Meiré (Creative Director), Andreas Dornbracht (geschäftsführender Gesellschafter von Dornbracht)
ׄDie Vorstellung von Zusammenarbeit als Netz-Individualismus interessierte uns“, erläuterte Toke Lykkeberg für das Kuratorenteam der Pariser Ausstellung. „Dinge entstehen heute gemeinsam. Die Ausstellung handelt von den Bedingungen und Effekten der Netzwerke, von denen wir umgeben und deren Bestandteil wir sind: soziologisch, psychologisch, wissenschaftlich, biologisch und in technologischer Hinsicht.“ Noch in den 1990er Jahren hatte Zusammenarbeit in der Kunstszene eine bestimmte Art von Kollektiv zur Folge. An die Stelle von „Do it yourself“ trete heute ein von Algorithmen unterstütztes „Do it with others“, ergänzte Solomon Chase. Heute, so Lykkeberg, wirke sich die Netz-Existenz höchst widersprüchlich aus: „Netz-Individualismus bedeutet, dass wir zur gleichen Zeit mehr und mehr zum Bestandteil eines Kollektivs werden im gleichen Maße aber auch Individualisten bleiben. Wir sind eingebettet in personalisierte Netze und erst diese lassen die Person entstehen.“
Andreas Dornbracht (rechts), Mike Meiré (links) zum Thema „Biotechnosphere“
Andreas Dornbracht (rechts), Mike Meiré (links) zum Thema „Biotechnosphere“
×Biotechnosphere
„The Island (KEN)“ ist ein geradezu prototypisches Resultat der Suche nach neuen Kooperationsformen. Anders als bei den Culture Projects, künstlerischen Projekten, Performances und Installationen, die Dornbracht bisher unterstützt hatte, waren diesmal die Künstler mit dem Wunsch an das Unternehmen herangetreten, etwas gemeinsam zu erschaffen. Der Kontakt entstand via Pinterest, jener Sphäre des „Social Shopping“, die dem „Konsumismus ohne Konsum“ gewidmet sei, wie Lauren Boyle sagt. Das Künstlerkollektiv recherchierte dort auf „Pinnwänden“ für Interior Design und Renovierung. Sie forschten nach Bildern, die – verschiedene Ressourcen kombinierend – ein ästhetisches Ideal vermitteln. Im Zuge ihrer Recherchen sammelten sie auf ihren Computern „hyperreale Räume“, denen nicht mehr anzusehen ist, ob sie Rendering oder Foto sind.
Und sie stießen auf die besondere Ästhetik der Bildwelten von Dornbracht, die ihre Idee einer „Biotechnosphere“ – und damit das Verschmelzen von Natur und Technik – perfekt widerzuspiegeln schien: Denn das Unternehmen, so DIS, stelle nicht einfach Armaturen für Küche und Bad her, sondern schaffe Wassertropfen, performe Wasser und schaffe eine konsistente Bildsprache. „Wir wollten das adaptieren und zusammenarbeiten.“
Schauplatz des Talks war die Installation “The Island (KEN)“ inmitten der Ausstellung “CO-WORKERS – Network as Artist“
Schauplatz des Talks war die Installation “The Island (KEN)“ inmitten der Ausstellung “CO-WORKERS – Network as Artist“
×Entwickelten gemeinsam „The Island (KEN“): Die Künstler von DIS (Mitte) und Mike Meiré (rechts) als Co-Designer
Entwickelten gemeinsam „The Island (KEN“): Die Künstler von DIS (Mitte) und Mike Meiré (rechts) als Co-Designer
×Mike Meiré war beim ersten Zusammentreffen in Berlin zugleich irritiert und begeistert von der Collage, die DIS aus seinen Bild- und Markenwelten geschaffen hatte: „Sie nahmen alles weg, worauf wir konditioniert sind, high, low, rich, poor, glamorous, non-glamorous. Plötzlich wird all dies eingeebnet. Sie führten Bad und Küche zusammen, üblicherweise Räume, die nicht zusammen gehören. Aus beiden erwächst dieses Stück.“ Nach der Art der Zusammenarbeit gefragt, sagt Mike Meiré: „Man nimmt etwas und reicht es weiter. Es war wirklich Co-Working. In den vergangenen zwanzig Jahren, seit wir für Dornbracht die Culture Projects betreuen, hatten wir viele spannende Begegnungen mit Künstlern. Aber das hier ist die nächste Welle. Wir haben nicht auf etwas geantwortet, wir waren einbezogen. In gewisser Weise instrumentalisierten mich die Künstler als Co-Designer.“ Und er ergänzt: „Das High-end-Finishing, von ‚The Island’ entspricht den Broschüren und den Anzeigen, die wir gestaltet haben.“ Kunst und Design verschmelzen. Und auch die räumliche Differenzierung löst sich auf, die unter anderem auf die Unterscheidung von intimen und öffentlichen Räumen zurückgeht. Und nun: „Die Vorderseite ist das Bad, wo man nackt sein sollte, auf der Rückseite die Küche, gegenwärtig eine andere Zone.“
Die New Yorker DIS-Künstler wurden durch Internetrecherchen auf Dornbracht aufmerksam und waren fasziniert von der Bildsprache des Unternehmens
Die New Yorker DIS-Künstler wurden durch Internetrecherchen auf Dornbracht aufmerksam und waren fasziniert von der Bildsprache des Unternehmens
×Die spannende Diskussionsrunde regte die Zuhörer aus den Bereichen, Architektur, Design und Kunst auch nach dem Talk noch zu weiteren Gesprächen an
Die spannende Diskussionsrunde regte die Zuhörer aus den Bereichen, Architektur, Design und Kunst auch nach dem Talk noch zu weiteren Gesprächen an
ׄDiscover, Distaste, Dystopia, Disco, Discussion“ sind Begriffe, mit denen das Künstlerkollektiv auf seiner Webplattform DIS Magazine operiert. Auf den ersten Blick erscheint ein Objekt, das die Nassbereiche von Küche und Bad zusammenführt und dabei Horizontalduschen verwendet, dysfunktional und damit als ironischer Kommentar. Ganz so simpel ist es nicht. Zum einen manipuliert DIS Bildwelten, spielt oft Gesehenes in rekonfigurierter und leicht veränderter Form zurück in die sozialen Netzwerke oder nimmt sie zum Ausgangspunkt ihres eigenen Stockfoto-Projekts disimages.com. „Wir mögen die Idee des Showrooms für ein fiktionales Produkt“, erklärt Solomon Chase. „Es ist die Idee von Utopia, die sich durch Bad und Küche bewegt.“ Gewissheiten verschwinden, was eine gewisse Anstrengung zur Folge hat: „Wir schaffen ständig Dinge, die es uns unbehaglich machen. Das ist unser Modus“, stellt Lauren Boyle fest. Und weist zugleich zurück, dass es ihre Aufgabe sei, vordergründig kritisch zu sein. „Ja oder nein – diese binären Modelle interessieren uns nicht.“
Luxus und Nachhaltigkeit
Inwieweit sind das Verlangen nach Luxus und die Sehnsucht, einen nachhaltigen Lebensstil zu praktizieren miteinander vereinbar, fragte Lykkeberg als Moderator. Andreas Dornbracht sah darin keinen Widerspruch: „Luxus bedeutet, Ressourcen zu haben, auch intellektuelle Ressourcen, nicht nur materielle, die wir in die Zukunft unserer Produkte investieren möchten. Gleiches gilt für Interior Design und Architektur.“ Und er ergänzte: „Als Unternehmen, das Innovationen anstößt, wollen wir ein Teil sein, Einfluss nehmen und die evolutionäre Entwicklung antreiben.“ Dornbracht begreift das Verhältnis von Luxus und Nachhaltigkeit eher als Stimulation denn als Gegensatz und plädiert für ein Verständnis, wonach Innovationen über kurz oder lang demokratisiert würden und auch dem Massenmarkt zugänglich werden. „Wir inspirieren hoffentlich auch andere dazu, darüber nachzudenken, wie man beispielsweise Wasser als Bestandteil der täglichen Gesundheitsvorsorge nutzen kann.“
Über Dornbracht Conversations
Dornbracht Conversations (DC) ist eine Plattform für den öffentlichen Diskurs zwischen den Disziplinen Architektur, Design und Kunst. Gegenstand der Diskussionen sind stets marken- und produktrelevante Themen. Sie greifen aktuelle Fragestellungen auf: Was ist ein Design-Klassiker, und welchen Stellenwert haben Klassiker in einer transversalen Kultur? Ist Design Kunst? Ist Kunst Design? Was steckt hinter der „Neuen Normalität“? Zu den Diskutanten der Reihe gehörten bisher unter anderem Tobias Rehberger, Stefan Diez, Gerda Breuer, Dieter und Michael Sieger, Mike Meiré, Andreas Dornbracht, Harald Falckenberg, Konstantin Grcic, Mateo Kries, Matteo Thun und Thomas Wagner.
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