Art goes public – Art goes architecture
Text by Karin Frei Rappenecker
Zürich, Switzerland
17.08.15
(German only) Kunst im architektonischen Kontext war noch nie so facettenreich wie heute. Sie vermag die Identität eines Ortes zu stärken oder gar zu verändern und zum bewussteren Umgang mit dem öffentlichen Raum beizutragen. Das nimmt Architonic zum Anlass in der Reihe „Kunst&Architektur“ Projekte vorzustellen, die exemplarisch für einen gelungenen Dialog stehen und mehr als die Summe beider Teile sind.
Am Genfer Plainpalais prangen künstlerische Neons auf den Dächern. Sislej Xhafa ruft mit „Axis of Silence“ die Überwachungsthematik auf poetische Art wach; Bild: Serge Fruehauf, Collection du Canton et de la Ville de Genève, 2009
Am Genfer Plainpalais prangen künstlerische Neons auf den Dächern. Sislej Xhafa ruft mit „Axis of Silence“ die Überwachungsthematik auf poetische Art wach; Bild: Serge Fruehauf, Collection du Canton et de la Ville de Genève, 2009
×Kunst im architektonischen Kontext erfreut sich wachsender Beliebtheit. Dass sie auch im öffentlichen Raum einen prominenten Platz eingenommen hat, mag angesichts der Omnipräsenz von Werbung und Infotainment zunächst erstaunen, ist aber nicht neu. Kunst war als Teil des Alltags und des öffentlichen Raums schon immer da, beispielsweise in Form von skulpturalen Ausstattungen von Agoras, Foren, Plätzen, Kirchen oder Parks.
Im Dienste unterschiedlichster Machthaber und Systeme diente Kunst der Delektierung der Massen, war blosse Dekoration oder nutzte der Machtinszenierung oder Progaganda autoritärer Staaten. Welche Bedeutung und Kraft – positiv wie negativ – Kunst im öffentlichen Raum haben kann, lässt sich durch alle Epochen hindurch verfolgen. Aber noch nie ist sie von so vielen unterschiedlichen „stakeholdern“ in Auftrag gegeben und für ihre jeweiligen Zwecke mobilisiert worden – und noch nie war ihr Auftritt so facettenreich wie heute.
Der Wholstenholme Square in Liverpool wurde 2004 durch Jorge Pardos identitätsstiftende und poetische Platzbeleuchtung „Penelope“ zum unvergesslichen Platz. © Jorge Pardo, Courtesy the artist and neugerriemschneider
Der Wholstenholme Square in Liverpool wurde 2004 durch Jorge Pardos identitätsstiftende und poetische Platzbeleuchtung „Penelope“ zum unvergesslichen Platz. © Jorge Pardo, Courtesy the artist and neugerriemschneider
×Die Kunst ist wieder spürbar in das Bewusstsein der Stadtplaner gerückt und „Art in Public Space“ zählt zu beliebten Marketingstrategien für Städte. Auch Unternehmen suchen den öffentlichen Schulterschluss mit der Kunst, sei es, weil sie damit ihre Innovationskompetenz unterstreichen oder im Sinne von Corporate Citizenship der Allgemeinheit und den Künsten dienen wollen. Die Künstler nutzen die Plattformen lustvoll: Vom hedonistischen bis hin zum gesellschaftskritischen Ansatz, von der marktschreierischen bis hin zur subtil-subversiven Umsetzung lässt sich alles finden.
Markus Weiss und Daniel Schibli entführen mit „My Castle“ seit 2007 kaufmännische Berufsschüler in ihre eigenen privaten Luftschlösser. Courtesy Markus Weiss
Markus Weiss und Daniel Schibli entführen mit „My Castle“ seit 2007 kaufmännische Berufsschüler in ihre eigenen privaten Luftschlösser. Courtesy Markus Weiss
×Umso wichtiger ist es heute, den Blick zu schärfen und ihn auf dasjenige Zusammenspiel von Kunst und Architektur zu richten, das das Potential von Kunst, sinnlich auf die Umwelt einzugehen und kreativ auf Probleme zu reagieren, offenbart. Dazu gehört auch der geschickte Umgang mit Instrumentalisierungsansprüchen. Im besten Fall scheut die künstlerische Arbeitsweise keine Grenzen, sondern überwindet sie und lässt in der Reibung zwischen künstlerischer und architektonischer Position Neues entstehen.
„Did I Miss Something“ (2001) müssen sich wohl diejenigen fragen, die sich nicht auf die Bank des dänischen Künstlers Jeppe Hein gesetzt haben, die im Weiher eine Wasserfontäne auszulösen vermag...; courtesy the artist and KÖNIG GALERIE
„Did I Miss Something“ (2001) müssen sich wohl diejenigen fragen, die sich nicht auf die Bank des dänischen Künstlers Jeppe Hein gesetzt haben, die im Weiher eine Wasserfontäne auszulösen vermag...; courtesy the artist and KÖNIG GALERIE
×Kunst wird in diesem Zusammenhang nicht mehr als blosse Addition zur Architektur, etwa im Sinne von Kunst am Bau verstanden, sondern als eigenständiger Beitrag. Das Resultat einer gelungenen Verbindung von Kunst und Architektur ist schliesslich mehr als die Summe beider Teile. So werden reflektierende Prozesse in Bezug auf die Identität eines Orts, aber auch in Bezug auf ein persönliches oder gesellschaftliches Bewusstsein in Gang gebracht. Dieses Bewusstsein könnte dazu beitragen, unsere Umwelt nicht nur ganzheitlicher und bewusster zu erleben, sondern sie auch verantwortungsvoller zu gestalten. Und wo kommt dieses Potential besser zum Tragen als im öffentlichen Raum und im Dialog mit Architektur – da, wo sie jedermann, und nicht nur einer gesellschaftlichen Elite, zugänglich ist?
„La résidence secondaire“ (2012) des Künstlerduos Les Frères Chapuisat darf man buchstäblich verstehen, waren in der Holzkonstruktion im Wallis Schlafräume genauso vorhanden wie Kochstelle und Dusche, Bild: Robert Hofer
„La résidence secondaire“ (2012) des Künstlerduos Les Frères Chapuisat darf man buchstäblich verstehen, waren in der Holzkonstruktion im Wallis Schlafräume genauso vorhanden wie Kochstelle und Dusche, Bild: Robert Hofer
×Ab August 2015 richtet Karin Frei Rappenecker, Kunsthistorikerin und Mitbegründerin der Zürcher Kunstvermittlungsagentur Art Agency, für Architonic den Blick auf diesen Dialog.
Martin Creeds Arbeit „Work No. 1059 – The Scotsman steps“ (2011) vereint auf wenigen Quadratmetern in Edinburgh Marmor unterschiedlichster Couleur aus der ganzen Welt © Martin Creed. Courtesy the artist and Hauser&Wirth, Bild: Gautier Deblonde
Martin Creeds Arbeit „Work No. 1059 – The Scotsman steps“ (2011) vereint auf wenigen Quadratmetern in Edinburgh Marmor unterschiedlichster Couleur aus der ganzen Welt © Martin Creed. Courtesy the artist and Hauser&Wirth, Bild: Gautier Deblonde
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