Rezension: 'Die besten Bäder' von Joachim Fischer
Text by Susanne Junker
Berlin, Germany
29.03.10
Bücher über die moderne Badkultur gibt es zuhauf - ausser schönen Bildern bilden sie jedoch keine brauchbare Quelle für Planer und Bauherr. Das vorgestellte Werk liefert Informationen und Grundlagen.
Um es gleich vorab zu sagen, die Bäder in diesem Buch sind wirklich wunderschön anzusehen! Sie sind allesamt realisiert, und deshalb eignet sich dieses Buch für Bauherren wie für Architekten und Designer gleichermassen als Anregung für Grundriss-Zuschnitte, Formen,Oberflächen, Materialkombinationen und Farben. So elegant wie die Bäder ist auch das Buch selbst gestaltet mit einem ruhigen Layout, das zwischen ganzseitigen Fotos und kleineren Detailauszügen mit kurzen Erläuterungstexten pendelt.
Wie bei Küchen hat auch längst bei Bädern ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Mit steigendem Wohlstand wandeln sich die Ansprüche, nicht mehr eine Funktionsnasszelle für die Körperhygiene wird verlangt, sondern zusammen mit der Wiederentdeckung fernöstlicher und arabischer Baderituale sollen auch zuhause Entspannung und Wohlbefinden im Badezimmer zelebriert werden. Vorhandene Bäder werden umgebaut und wo es geht auch vergrössert, z.B. durch den Abbruch von Wänden und die Einbeziehung von nicht mehr benötigten Speisekammern, den Kinderzimmern längst erwachsener Kinder, bis zur völligen Integration in den Schlafraum. Zu jedem Bad werden die Grundrisse gesetzt, sogar überwiegend massstabsgerecht, und ehrlicherweise auch die Baukosten. Sehr lobenswert ist auch, dass die Hersteller bzw. Designer der Sanitärobjekte, der Wand- und Boden-Materialien, der Armaturen und sonstiger Möbel namentlich aufgelistet werden, mit Namen wie Vola, Alape, Dornbracht, Hansgrohe, Duravit, Hoesch oder Zehnder. Zur Vervollständigung finden sich im Anhang die Namen und Anschriften der beteiligten Architekten, Designer und Badgestalter.
Umbau und Renovierung im Bestand, Waschtisch mit schwarz lackierter Glasoberfläche, Spiegelschrank mit integriertem TV- und Hifi-System, Badewanne aus hochglanzpoliertem Holz im Zebralook, Fliesen mit Krokoprägung, Armaturen Dornbracht
Umbau und Renovierung im Bestand, Waschtisch mit schwarz lackierter Glasoberfläche, Spiegelschrank mit integriertem TV- und Hifi-System, Badewanne aus hochglanzpoliertem Holz im Zebralook, Fliesen mit Krokoprägung, Armaturen Dornbracht
×Aber kein Bad mutiert mal eben so zu einem Wohnbad, einem privaten Spa oder einer Relax-Wellness-Oase, indem im nächsten Baumarkt Fliesen in der gerade angesagten Trendfarbe und ein neuer Duschkopf mit Vierfach-Regenwald-Massagefunktion ausgesucht werden. Richtige sinnvolle Änderungen verlangen eine intelligente Planung und für die Ausführung den guten alten Sanitär-Fachbetrieb. Auch wenn die Sanitärobjekte mehr und mehr Möbeln ähneln und frei im Raum stehen, eine Badewanne lässt sich nicht wie ein Sofa nach Lust und Laune verschieben. Wenn also im Vorwort Martina Brüssel, die Geschäftsführerin eines Interessenverbandes von Badeinrichtern, der an diesem Buch mitgearbeitet hat, was leider nur verschämt im Impressum angegeben wird, „ganzheitliche Planung“ fordert, hat sie natürlich recht, abgesehen von der Verwendung des unsäglich modischen Nullworts „Ganzheitlichkeit“. Seit Vitruv, also seit den Urzeiten, als Kleopatra noch in Eselsmilch badete, wissen wir doch, dass venustas, utilitas und firmitas zusammengehören. Und gerade bei der utilitas, also der Funktionsfähigkeit, scheint es mir bei den meisten der vorgestellten Bäder zu hapern – oder zumindest, wenn den Fotos zu trauen ist.
Umbau und Renovierung im Bestand, Waschtisch aus Mineralwerkstein, Badewanne Villeroy & Boch, Armaturen Dornbracht, Oberflächen Putz, Eiche und dunkelbrauner Naturstein
Umbau und Renovierung im Bestand, Waschtisch aus Mineralwerkstein, Badewanne Villeroy & Boch, Armaturen Dornbracht, Oberflächen Putz, Eiche und dunkelbrauner Naturstein
×Da sind zwar skulpturale Blumenarrangements, Treibholz-Objekte und ähnliche Dekorationen, aber wie funktioniert das mit dem Stauraum? Wie sieht es aus mit Haken und Ablageflächen? Wo lassen denn die ausgewählten Bad-Bauherren, die nun soviel Geld investiert haben, ihre Zahnbürsten, Rasierapparate, den ganzen Kram an Kosmetika bis zu Abschminktüchern oder gar Haarbürsten? Handwaschbecken ohne Seife sehen schick aus, aber soll die Seife dann wirklich im Bedarfsfall zwischen Hahn und Griff herumflutschen? Sollen in diesen existentialistisch kargen Riesenduschen die edlen Duschöle etwa profan am Boden stehen, um garantiert drüber zu stolpern und sich die Zehen zu stossen? Wo sind denn die Steckdosen für die vom Zahnarzt empfohlenen elektrischen Zahnbürsten? Eines der Bäder ist so minimalistisch, dass die Benutzer gar keine Handtücher mehr benötigen... Und wie oft am Tag kommt die gute Putzfee, um die Kalkflecken und Seifenspritzer von den ach so stylisch dunklen Fliesen zu wischen? Desgleichen die bodenbündigen Duschen. Hand aufs Herz, funktionieren die wirklich ohne den ganzen Badezimmerboden gleich mit unter Wasser zu setzen? Wie sehen die Bäder denn WIRKLICH aus, wenn sie in Benutzung sind? So wirkt es weltfremd. Oder habe ich hier etwas falsch verstanden? Sind diese Bäder nur zum Repräsentieren für Singles und kinderlose Paare gedacht, und um die Ecke gibt es dann noch eines, das dann auch benutzt wird? Schade, wo doch in der Architekturfotografie gerade der Mensch, der in der Architektur lebt, wiederentdeckt und von dieser ganzen menschenleer-werksimmanenten Haltung abgerückt wurde.
Duschbereich mit Feinsteinzeugfliesen in Cortenstahl-Optik, Armaturen Dornbracht
Duschbereich mit Feinsteinzeugfliesen in Cortenstahl-Optik, Armaturen Dornbracht
×Ein anderer Schwachpunkt des Buchs sind die Interviews mit Designers und Badgestaltern. Einige der Herren versteigen sich in ein derartig autistisches Marketing-Sprech, dass es nervt. Sind diese diskursiven Seifenblasen wirklich nötig?
Jacques-Louis David (Werkstatt), 'Marat assassiné' ('Der ermordete Marat'), um 1794, 157,5 x 135,7 cm, Musée National des Châteaux de Versailles et de Trianon, Versailles; Foto: bpk/RMN/Gérard Blot/Christian Jean, über Kunstmuseum Ahlen
Jacques-Louis David (Werkstatt), 'Marat assassiné' ('Der ermordete Marat'), um 1794, 157,5 x 135,7 cm, Musée National des Châteaux de Versailles et de Trianon, Versailles; Foto: bpk/RMN/Gérard Blot/Christian Jean, über Kunstmuseum Ahlen
×Wer tatsächlich mehr Tiefgang möchte, sollte sich im Kunstmuseum Ahlen die Ausstellung „Intimacy! Baden in den Kunst“ noch bis zum 25. April 2010 ansehen. Präsentiert werden 140 Arbeiten von 90 Künstlerinnen und Künstlern, u.a. von Stefan Balkenhol, Joseph Beuys, Karl Bohrmann, Pierre Bonnard, Fernando Botero, Louise Bourgois, Gustave Caillebotte, William N. Copley, Gregory Crewdson, Edgar Degas, Albrecht Dürer, Jean Fautrier, Eric Fischl, Xenia Hausner, David Hockney, Mary Kelly, E.L. Kirchner, Wilhelm Lehmbruck, Èdouard Manet, Bettina Rheims, Saul Steinberg, Franz von Stuck, Norbert Tadeusz und Bill Viola. Die Werke - künstlerische Reflexionen zum Thema Baden als menschliches Urbedürfnis, über Hygiene und Sauberkeit, aber auch über Schönheit, Sexualität und Religion - reichen vom späten Mittelalter bis in die unmittelbare Gegenwart und kommen u.a. aus Museen in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Finnland und den USA, aus großen öffentlichen Sammlungen und aus bedeutenden Privatsammlungen. Gezeigt werden Ölgemälde, Zeichnungen, Druckgraphik, Skulpturen, Fotografien, Videos und Installationen.
Gregory Crewdson, Untitled (Ohne Title), 2001-2002, Digital C-Print, 121,92 x 152,4 cm; Courtesy of the artist and Luhring Augustine, New York, über Kunstmuseum Ahlen
Gregory Crewdson, Untitled (Ohne Title), 2001-2002, Digital C-Print, 121,92 x 152,4 cm; Courtesy of the artist and Luhring Augustine, New York, über Kunstmuseum Ahlen
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'Die besten Bäder: individuell & massgeschneidert' von Joachim Fischer (Hrsg.)
Gebunden
160 Seiten
22 x 28,5 cm
200 Abbildungen und Pläne
Callwey Verlag München
ISBN 978-3-7667-1810-5
Erschienen 2010