Fotografo: Nils Wenk
Fotografo: Udo Meinel, Berlin
Fotografo: Nils Wenk, Berlin
Geschichte
Mit dem Anschluss Rixdorfs - dem heutigen Neukölln - an die Berliner Kanalisation wurde 1893 der erste Abschnitt des Abwasserpumpwerks errichtet. Die Erschließung neuer Areale infolge eines immensen Bevölkerungswachstums in den Jahren nach der Jahrhundertwende machte schon bald eine erhebliche Ausweitung der Kapazitäten erforderlich. So wurde die Anlage 1925/26 um eine Maschinenhalle mit Werkstatt-, Lager- und Mannschaftsräumen erweitert. 1993 wurde das Pumpwerk durch eine neue Anlage ersetzt und der Großteil der Maschinen entfernt, die bereits nach dem Krieg erneuert worden waren. Einzig der alte Windkessel, der einst die Anlagen angetrieben hatte, verblieb als Relikt der ursprünglichen Nutzung in der Halle. Seit 1989 ist das Gebäude in die Denkmalliste des Landes Berlin eingetragen.
Während das ältere eingeschossige Gebäude bald einer neuen Verwendung zugeführt werden konnte, fand sich für den jetzt umgebauten Erweiterungsbau in den folgenden 13 Jahren kein Interessent für eine langfristige Nutzung. Die Lage, das große Volumen der Halle und das Fehlen eines zweiten Rettungsweges erschwerten die Suche nach einem Nutzer. 2006 erwarben Michael Elmgreen und Ingar Dragset den Erweiterungsbau, um ihn zu einem Galerie-, Atelier- und Wohngebäude umzubauen.
Bestand
Die Gestalt des Baukörpers orientiert sich an zeitgenössischen Strömungen im Industriebau, ist aber durchaus von eigener baukünstlerischer Qualität. Aus Klinkern gemauerte Lisenenpaare über hohen Mauersockeln verleihen der Fassade eine rhythmische Gliederung, die dahinter zurückliegenden Putzflächen sind durch vertikale Fensterschlitze aufgelöst, die die Räume großzügig belichten. Über einem ausladenden Kranzgesims schließt ein Walmdach mit braunroter Biberschwanzdeckung und Fledermausgauben das Gebäude ab.
Den südlichen Teil des Hauses nimmt mit einer Höhe von über 13 Metern die ehemalige Maschinenhalle des Pumpwerks ein. Auf halber Höhe der Halle ermöglichten zwei auf Schienen fahrbare Krananlagen Arbeiten an den schweren Maschinen. Der gesamte Raum wird stützenfrei von einer Kassettendecke überspannt, die vom Dachtragwerk abgehängt ist.
An der nördlichen Stirnseite wird die Halle vom Treppenhaus und vier Geschossebenen flankiert, auf denen verschiedene Nebenräume untergebracht waren. Ein Lüftungskanal des neuen Pumpwerks führt durch die Geschosse bis über das Dach.
Das Dach wird getragen von einem markanten Polonceau-Tragwerk aus Stahlprofilen, von dem zugleich die Decke der Halle abgehöngt ist. Der Dachraum war bis zum jetzigen Umbau ungenutzt und durch die Gauben nur spärlich belichtet.
Konversion
Die Maschinenhalle dient heute als Ausstellungs- und Atelierraum. Der neue Boden aus transparent beschichtetem Gussasphalt bildet zusammen mit den dunkel lasierten historischen Wandfliesen des hohen Sockels einen klar definierten abgeschlossenen Raum für die zumeist dreidimensionalen Arbeiten der Künstler, über dem sich die Halle mit weißen Wänden und vertikalen Fensterschlitzen auflöst.
Die Krananlagen über der Ausstellungsfläche wurden zu breiten Plattformen erweitert, auf denen sich nun die Arbeitsplötze der Mitarbeiter befinden. Um den Zugang zu den weiterhin im Raum verfahrbaren Ebenen jederzeit zu gewährleisten wurden zwei Stege mit aushebbaren Geländern installiert. Die einfache, reduzierte Form der Brüstungen erinnert an die vormals industrielle Nutzung der Anlage. In die 70cm starke Rückwand der Halle wurde eine Öffnung mit einem in der Wand liegenden Treppenlauf zum Besprechungsraum eingeschnitten. Als Kontrapunkt zu ihrer asymmetrischen Form führt eine weitere Öffnung auf gleicher Ebene der Plattformen direkt ins Treppenhaus.
Auf den Geschossebenen befinden sich die privaten Räume der Künstler sowie der Besprechungsraum und die Küche. Die zuvor durch eine tragende Wand geteilten Räume wurden zu großzügigen entlang der Nordostfassade gestreckten Ateliers zusammengefasst. Die hierzu notwendigen neuen Stahlbetonträger fügen sich in die Struktur der bestehenden Unterzüge ein. Sanitär- und Lagerräume sind um den Lüftungsschacht herum angeordnet und adaptieren die Form des Treppenhauses. Dadurch entstehen T-förmige offene Grundrisse mit klar definierten Eingangsbereichen. Die langen Haupträume sind ganz auf die Nordwestfassade mit den durchlaufenden Fensterschlitzen hin ausgerichtet. In den Asphaltbelägen klingt die industrielle Geschichte des Hauses an, mit seiner dunklen Farbe und monolithischen Oberfläche weist der Asphalt die notwendige Schwere auf, um den Raum mit seinen aufgelösten weißen Wänden im Inneren zu verankern. Der Asphalt wurde hier feiner abgesandet als in der Halle, zudem wurde der Beschichtung hier schwarzes Pigment zugefügt, um eine homogenere und weicher anmutende Oberfläche zu erhalten.
Der ausgedehnte Wohnraum nimmt den größeren Teil des Daches in Anspruch. Schwarz gewachste Eichendielen nehmen Bezug auf die Asphaltbeläge der unteren Geschosse, tragen jedoch mit ihrer sanften Haptik der Wohnnutzung Rechnung. Unter dem beheizten Dielenboden befinden sich neben einer Balkenlage, die notwendig war, um die Tragfähigkeit der Decke herzustellen, die neuen Zugbänder der Dachbinder. Durch diese Maßnahme konnten die bestehenden horizontalen Bänder entfernt werden, die den Raum in Kopfhöhe durchspannten. Die großflächigen, nur durch wenige Gauben durchbrochenen Dachflächen wurden beibehalten, um einen Kontrast zu den aufgelösten Fassaden der Geschosse zu schaffen. Allein auf der Walmseite des Wohnraumes öffnet ein Schiebefenster von 2,80 x 6,00 m das Dach nach Südwesten hin.
Methodik
Das bestehende Werk wurde unter Einbeziehung seiner baukünstlerischen Identität mit veränderter Nutzung weitergebaut. Die Umbaumaßnahmen greifen in die Substanz des denkmalgeschützten Gebäudes zurückhaltend ein, die strukturelle Anpassung erfolgte mit wenigen gezielten Eingriffen wie der Erweiterung der Krananlagen und der Veränderung des Dachtragwerks. Bei der Gestaltung der Oberflächen wurden alte und neue Bauteile gleich behandelt, Altes und Neues verwachsen zu einer Einheit. Die Unterscheidung ist vielerorts erst auf den zweiten Blick möglich.
Durch die in den unterschiedlichen Gebäudeteilen einheitliche Farbgestaltung entsteht zudem eine Überlagerung der verschiedenen Nutzungen als Atelier, Galerie und Wohnraum. Dennoch werden die Oberflächen den unterschiedlichen Anforderungen durch ihre differenzierte Haptik gerecht. Die scheinbare Homogenisierung von Gebäude- und Bauteilen führt durch die subtile Differenzierung zu einer Gleichzeitigkeit von Harmonie und Spannung, die dem Gebäude eine gesteigerte Komplexität verleiht, ohne seine eigene baukünstlerische Identität dabei zu verleugnen. Entscheidend dafür war die undogmatische Entwurfsmethodik, die der historischen Substanz mit angemessenem Respekt begegnet, ohne durch übertriebene Zurückhaltung nur einen geschichtlichen Augenblick quasi fotographisch konservieren zu wollen. Jede Entscheidung war der sorgfältigen Abwägung der Prioritäten von historischer Bedeutung und aktuellen Anforderungen unterworfen. Architektur ist hier nicht konservativ, sondern traditionell: Das Zeugnis eines kulturhistorischen Augenblicks wird durch Überlieferung fortgeschrieben und zeitgenössisch modifiziert und bleibt auf diese Weise ein lebendiges Archiv seiner eigenen Geschichte.
Michael Elmgreen und Ingar Dragset
Wenk und Wiese Architekten
Fotografo: Udo Meinel, Berlin
Fotografo: Nils Wenk, Berlin
Fotografo: Nils Wenk, Berlin
Fotografo: Udo Meinel, Berlin
Fotografo: Udo Meinel, Berlin
Fotografo: Nils Wenk, Berlin
Fotografo: Udo Meinel, Berlin
Fotografo: Udo Meinel, Berlin
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Fotografo: Nils Wenk, Berlin
Fotografo: Nils Wenk, Berlin
Fotografo: Nils Wenk, Berlin
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Fotografo: Udo Meinel, Berlin
Fotografo: Udo Meinel, Berlin
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